Am 11. und 12. November bot sich dem Forschungskolleg bei einem Abendvortrag und einem Workshop in Münster die Gelegenheit, sich mit dem japanischen Shin-Buddhismus auseinanderzusetzen. Dazu konnte das Kolleg die Expertise von Marc Nottelmann-Feil einholen, der shin-buddhistischer Priester am Ekō-Haus der Japanischen Kultur e.V. im Düsseldorfer Stadtteil Niederkassel ist. Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Doktoranden des Kollegs Mathias Schneider.
In seinem Abendvortrag am 11. November zum Thema „Häresie des Mittelalters? Christlicher Buddhismus? Die hybriden Welten des japanischen Shin-Buddhismus“ eröffnete der Referent ein Fenster nach Japan, dem Heimatland der „Wahren Schule des Reinen Landes“, auf Japanisch Jōdo-Shinshū, die dort eine der größten und einflussreichsten buddhistischen Traditionen ist. Angefangen bei der westlichen Buddhismus-Rezeption, etwa durch Pioniere wie Eugène Burnouf, zeichnete Marc Nottelmann-Feil einen Überblick über die verschiedensten Facetten des Buddha-Bildes, das sich vom orientalistischen Zerrbild des Buddha als empirisch-rationalistischer Ethiker und Aufklärer über den übergöttlichen Buddha der Pāli-Suttas bis hin zum Bodhisattva-Ideal des Mahāyāna und schließlich zum Vertrauen auf Buddha Amida im Shin-Buddhismus erstreckte. Beim Workshop am darauffolgenden Tag konnten die Teilnehmenden mit dem Referenten theologische Aspekte des Shin-Buddhismus, aber auch die Voraussetzungen des shin-buddhistisch-christlichen Dialogs näher beleuchten. Anhand des Shoshinge, das von Shinran, dem Begründer der Jōdo-Shinshū, verfasst wurde und einer der wichtigsten liturgischen Hymnen des Shin-Buddhismus ist, wurden Grundfragen shin-buddhistischen Denkens, aber auch die Spannungen der jeweiligen Auslegungen zwischen japanischer und westlicher Buddhologie reflektiert. Bei allen theoretischen Diskussionen konnte Marc Nottelmann-Feil mit seiner Erfahrung als buddhistischer Geistlicher zugleich auch die praktischen Dimensionen gelebter Spiritualität nahebringen, beispielsweise bei der Textrezitation und Liturgie. Der Shin-Buddhismus ist ein kleiner, aber wichtiger Teil des Gesamtgefüges religiöser Pluralität in Nordrhein-Westfalen. Das zeigt sich auch daran, dass es in der Landeshauptstadt Düsseldorf eine große japanische Community gibt, die mit dem Ekō-Haus eine spirituelle, kulturelle und soziale Anlaufstelle hat. Als solche erhält das Ekō-Haus auch Zulauf von westlichen Buddhisten. Der vom Referenten vermittelte Einblick in den Shin-Buddhismus half dabei, ein schärferes Bild vom in NRW ansässigen Buddhismus zu erhalten und bot so gleichzeitig auch die Gelegenheit, das Gesamtphänomen religiöser Pluralität in der Region besser zu erfassen. Text: Mathias Schneider Um die Problemlagen und möglichen Konfliktfelder, die sich in multikulturellen und multireligiösen Gesellschaften ergeben, auch aus einer praktischen Perspektive kennenzulernen, haben sich die RePliR-Doktorand*innen und weitere Teilnehmende mit dem Thema der Mediation – insbesondere der interkulturellen Mediation – im Rahmen eines Workshops auseinandergesetzt, der von der RePliR-Doktorandin Dilek A. Tepeli organisiert wurde. Von Mediatorin und Trainerin Sylke Hilbig wurden erste Einblicke in den Arbeitsbereich der Mediation vermittelt, welcher sich insbesondere mit den Entstehungsbedingungen von Konflikten, deren zwischenmenschlicher Dynamik und den persönlichen Einstellungen und Werthaltungen der Konfliktparteien befasst.
In einem ersten Schritt wurde aus diesem Grund in Gruppenarbeiten darüber diskutiert, was eigentlich ein Konflikt ist, welche Ausformungen und Spielarten dieser annehmen kann und was die Ursachen von Konflikten sein können. In einem zweiten Schritt lernten die Doktorand*innen die Rolle des*der Mediator*in in Konflikten näher kennen: es geht darum, die Konfliktparteien in ihrer Spurensuche nach den unbewussten, dem Konflikt psychodynamisch zugrundeliegenden Ursachen zu helfen, um zu verstehen, was genau den Konflikt bedingt und wie er gelöst werden kann. In einem dritten Schritt wurde den Teilnehmenden die fünf Phasen der Mediation vermittelt, im Rahmen derer eine langfristige Lösung des Konflikts durch die Konfliktparteien selbst angestrebt wird. Hierbei wurde betont, wie wichtig es im Mediationsprozess ist, von der Sachebene in tiefere Schichten des Konflikts (unerfüllte Bedürfnisse, Erfahrungen, Erwartungen, Werte etc.) durchzudringen. Ziel dieses Prozesses der Mediation ist eine „Win-Win-Situation“, die keinen Kompromiss meint, sondern einen Konsens zwischen den Parteien anstrebt. In der letzten Phase des Workshops wurde anhand fiktiver Beispiele die Durchführung einer Mediation erprobt, indem die Teilnehmenden übten, einen realistischen interkulturellen Konflikt zu bewältigen. Insgesamt wurde der Workshop als hilfreich für die Erweiterung der eigenen wissenschaftlichen Sichtweise auf Konflikte angesehen und bildete dadurch die transdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis ab. Interkulturelle Mediation ist ein relevantes Arbeitsgebiet innerhalb des Feldes religiöser Pluralität. Indem sie zu gegenseitigem Verständnis unterschiedlicher Lebenswelten beiträgt, kann sie die friedliche Koexistenz verschiedener religiöser und säkularer Gruppen fördern. Text: Dilek A. Tepeli Am 14. Oktober 2019 fand von 10 bis 17 Uhr im Glaspavillon der Universität Duisburg-Essen ein Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Fachpraxis und Migrantenselbstorganisationen (MSO) zur Bedeutung von deren Rollen und Bedarfen als zivilgesellschaftliche Akteure statt. Die Veranstaltung wurde vom Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) in Kooperation mit der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) durchgeführt. Die RePliR-Doktorandin Anna Wiebke Klie war für die Konzeption der Veranstaltung verantwortlich und unterstützte bei ihrer Organisation.
Dem Programm entsprechend waren auch die einzelnen Beiträge thematisch sehr vielfältig. Durch die wissenschaftlichen Vorträge wurde in der Summe unterstrichen, dass die Pflege der Herkunftskultur sowie aufnahmelandbezogene, integrative Ausrichtungen in der Mehrzahl der MSO miteinander einhergehen und keine Ausschließungskriterien darstellen. Gleichwohl kritisierte der Journalist Eren Güvercin die Einflussnahme einer türkischen nationalistischen „Diaspora“-Politik, die bisherige Öffnungskurse in der muslimischen Verbändelandschaft unterminiere und innerhalb der Verbände für Interessenkonflikte und letztlich Abwendungen von jungen, sozial engagierten Menschen führe. Konsens herrschte darüber, dass das in migrantischen Communities so wichtige informelle „stille“ Engagement, das viel „im Verborgenen“ stattfinde und daher empirisch schwer sichtbar zu machen sei, eine enorme Kraft darstelle. Inwieweit diese Ressource in aufnahmegesellschaftliche Strukturen, wie etwa der Gesundheitsversorgung, der Altenpflege oder der Betreuung demenziell Erkrankter, eingebunden werden könnte, blieb eine weitgehend unbeantwortete Frage. Als zentrale Herausforderungen wurden große Ängste, Schamgefühle, disparate kulturspezifische Umgangsformen mit Gesundheitsfragen sowie mangelhafte interkulturelle Öffnungsprozesse angeführt. Hier zeigt sich der weiterhin große Bedarf von Aufklärung sowie des Abbaus von Hemmschwellen. Anhand der Wortbeiträge der aus der Politik eingeladenen Referent*innen wurde deutlich, dass hinsichtlich der Handhabung der finanziellen Förderung von MSO auf Landes- und Bundesebene unterschiedliche Logiken bestehen. Während in NRW jeder Verein mit MSO-Eigenschaften und integrativen Tätigkeiten – und damit auch MSO, die sich als Religionsgemeinschaften verstehen – gefördert werden können, verhält es sich auf Bundesebene anders. Hier wurden im Vergleich zwischen den Richtlinien von Bundesinnenministerium (BMI) bzw. dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Bundesfamilienministerium unterschiedliche religionspolitische Haltungen deutlich. So sieht sich das BMI aufgrund der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche lediglich dazu befugt, säkulare MSO zu fördern. Diesbezüglich zeigt sich das Bundesfamilienministerium hingegen offener und hat in den vergangenen Jahren u. a. auch DİTİB gefördert. Viele Anwesende äußerten hinsichtlich der Nicht-Förderung religiöser MSO ihr Unverständnis, schließlich hätten viele religiöse MSO eine starke zivilgesellschaftliche Schlagseite, die Integrationsprozesse vorantreibe. Dieser Aspekt wurde auch auf der die Konferenz abschließenden Podiumsdiskussion nochmals aufgegriffen: Hier wurde auf die Existenz einer Schieflage verwiesen, da die beiden etablierten christlichen Kirchen bevorzugt würden. Die verfassungsmäßig vorgeschriebene Äquidistanz werde somit nicht eingelöst und eine Gleichstellung sei gerechtfertigt und anzustreben. Insgesamt wurde im Rahmen der Veranstaltung deutlich, dass trotz eines anhaltenden Paradigmenwechsels und einer wohlwollenden Anerkennung der MSO seitens nicht-migrantischer Organisationen zukünftig noch mehr passieren müsse. Nach wie vor bestünden gegenseitige Vorbehalte und Verständigungsprobleme. Daher müsse verstärkt daran gearbeitet werden, sich näherzukommen und aufeinander zuzugehen. Die Mitwirkenden waren sich darüber einig, dass das Streben nach mehr Anerkennung und gegenseitigem Respekt eine Aufgabe aller beteiligten Akteure mit und ohne Zuwanderungshintergrund darstellt; zugleich wurde aber auch unterstrichen, dass es sich dabei um einen gesamtgesellschaftlich weiterhin aktiv voranzutreibenden Prozess handelt. Text: Anna Wiebke Klie Am Donnerstag, den 11.7.2019 kamen 20 PraktikerInnen aus der Jugendarbeit in den Räumlichkeiten des IFAK e.V., dem Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe sowie Migrationsarbeit, zusammen, um sich mit Identität und Adoleszenz auseinanderzusetzen.
Um eine besondere Form des Transfers zwischen Wissenschaft und Praxis ging es bei der dritten Klausurtagung des Forschungskollegs RePliR am 4. und 5. Juli im Haus Mariengrund in Münster. Die Doktoranden, PIs und Praxispartner begaben sich dort (unterstützt von einer natürlich-westfälisch ruhigen Atmosphäre) in Klausur, um an ihrem gemeinsamen Projekt, einem Praxishandbuch zur Regulierung religiöser Pluralität, zu arbeiten.
Der christlich-islamische Dialog von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Netzwerken stellt seit einigen Jahrzehnten einen besonderen Begegnungsraum dar und hat vor allem im Nachgang des 11. Septembers 2001 auch von politischer Seite ein großes Interesse erfahren.
Eine besondere Möglichkeit zur interdisziplinären Arbeit ergab sich für einige Doktorandinnen und Doktoranden des Forschungskollegs auf der 16. Jahreskonferenz der European Association for the Study of Religions (EASR), die vom 17.-21. Juni in Bern stattfand. Unter dem Titel „Multiple Religious Identities – Individuals, Communities, Traditions” fanden sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus einem internationalen Kontext zusammen, um ihre Forschungen zum übergeordneten Thema globaler und nationaler religiöser Pluralität zu präsentieren. Für die Kollegiaten und Kollegiatinnen von RePliR Linda Hennig, Martina Loth, Aysel Tepeli, Susanne Stentenbach-Petzold, David Rüschenschmidt und Mathias Schneider sowie die Kollegskoordinatorin Sarah Jahn ergab sich so eine gute Gelegenheit, sich in einem internationalen Rahmen auszutauschen und eigene Arbeiten zum Thema religiöser Pluralität einzubringen.
Die Religionspsychologin Ulrike Popp-Baier (Universität Amsterdam) war am 29. und 30. Mai zu Gast im Forschungskolleg RePliR.Sie folgte der Einladung von Aysel Tepeli.
Wie sich die gesellschaftliche Teilhabe von Muslimen in Europa erforschen lässt, war die zentrale Frage des Abendvortrages vom 6. Februar 2018, der von Linda Hennig vom Forschungskolleg RePliR organisiert wurde. Prof. Dr. Dr. Anne-Sophie Lamine von der Universität Straßburg stellte hierzu Ihren pragmatistischen Forschungsansatz vor.
Die Frage, welche Strategien dem säkularen Verfassungsstaat im Umgang mit der zunehmenden kulturellen und religiösen Pluralität zur Verfügung stehen und welche Teile der Religionsverfassung in einer pluralistischen Gesellschaft unverzichtbar sind, stand im Mittelpunkt einer Buchvorstellung, die das Centrum für Religion und Moderne (CRM) am 14. November 2017 veranstaltet hat.
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November 2019
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