Am 15. Oktober 2010 konnte endlich die RePliR-Abschlusskonferenz „Religiöse Pluralität in NRW: Herausforderungen, Umgang und Good Practice“ stattfinden. Aufgrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie fand die Konferenz in einem gerafften Format online statt. Insgesamt nahmen rund 40 Interessierte aus Wissenschaft und Fachpraxis teil.
Der Tag begann mit einer Begrüßung durch den Kollegsprecher Prof. Ulrich Willems (Münster) und einer kurzen Erläuterung des digitalen Tagesablaufs durch die Kollegkoordinatorin Dr. Maren Freudenberg (Bochum). Es folgten zwei Vorträge von ehemaligen RePliR-Kollegiat*innen. Im ersten Vortrag mit dem Titel „Adoleszente Bewältigungsprozesse im Umgang mit Differenz“ stellte ich gemeinsam mit den ehemaligen RePliR-Doktorandinnen Natalie Powroznik und Dilek A. Tepeli zwei Fallbeispiele vor. Beide vorgestellten jungen Menschen machen in ihrem adoleszenten Identitätsbildungsprozess bewusst die religiöse Zugehörigkeit zum Teil ihrer personalen Identität, die in ihren Herkunftsländern und auch in der Diaspora in der eigenen ethnisch-kulturellen Gruppe eine Abweichung und ein Stigma darstellen. Es handelt sich einerseits um Christsein in Afghanistan bzw. dann in Deutschland und andererseits um Alevitisch-Sein innerhalb einer sunnitisch-orientierten Familie. Dabei zeigen unsere Beispiele auch, dass ein Blick in den pluralen Mikrokosmos einer einzigen Familie oder eines Subjekts lohnt, um die Bedeutung religiöser Pluralität sowohl für das soziale als auch für das individuelle Handeln deutend zu verstehen. Im zweiten Vortrag „Grenzziehung, Grenzöffnung, Grenzüberschreitung: Interreligiöse Ritualpraxis im Dialog“ hoben die beiden ehemaligen RePliR-Doktoranden Mathias Schneider und David Rüschenschmidt die hohe Relevanz der geteilten Ritualpraxis im Allgemeinen und des gemeinsamen Gebets im Speziellen für das Feld des interreligiösen Dialogs hervor. Denn die gelebte und emotionale Dimension des religiös Anderen sei ebenso wichtig wie die kognitive, wenn es darum geht, sich im interreligiösen Dialog die religiöse Welt des Anderen zu erschließen. Hierzu beleuchteten die Vortragenden die Haltungen der beiden Großkirchen kritisch und analysierten, warum vor allem die Handreichung der Evangelischen Kirche Deutschlands von 2006 mit dem Titel „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“ eine Absprache an die Möglichkeit eines interreligiösen Gebets darstellt. Sehr erfreut waren wir über die Teilnahme von Volker Beck mit einem Impulsvortrag zum Thema „Religiöse Pluralität in NRW – Religionspolitische Herausforderungen, Regulierungsstrategien und Beispiele Guter Praxis“. In diesem betonte Herr Beck, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einen guten Kompass für Regulierungsmaßnahmen darstelle, weil es Arenen ausweise, in denen auf gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Ebene Auseinandersetzungen und Klärungen stattfinden könnten. Dabei verwies er auch auf die konkrete Aufgabe der Religionswissenschaft, der Rechtswissenschaft z.B. im Hinblick auf die Anerkennung einer offiziellen Religionsgemeinschaft in Deutschland die von den bisher etablierten und bekannten Religionsgemeinschaften wie den Großkirchen z.T. stark abweichende Theologieverständnisse und Organisationsstrukturen mit „vergleichbaren Tatbeständen zu erklären“. Die Vorträge des Vormittags sind online unter folgenden Links abrufbar: Adoleszente Bewältigungsprozesse: https://ruhr-uni-bochum.sciebo.de/s/dNo71mTMRIMPREj Da die Tonqualität an manchen Stellen leider nicht optimal ist, stehen hier zu zwei Vortragteilen auch Audiodateien zur Verfügung. Interreligiöse Praxis im Dialog: https://ruhr-uni-bochum.sciebo.de/s/OLJiJAmnxa2hxDn Religionspolitische Herausforderungen, Regulierungsstrategien und Beispiele guter Praxis: https://ruhr-uni-bochum.sciebo.de/s/cJD2kTYGbi09z1o Nach der Mittagspause standen am Nachmittag Poster-Präsentationen im Mittelpunkt, mit denen die ehemaligen RePliR-Doktorand*innen die wichtigsten Ergebnisse ihrer Dissertationen vorstellten. Diese betreffen sehr vielfältige Themen, von Migrantenselbstorganisationen über buddhistische Jesus-Interpretationen bis hin zum Umgang mit religiöser Vielfalt in Flüchtlingsunterkünften und stationären Altenpflegeeinrichtungen – um nur einige Projekte zu nennen. Es gab sehr anregende Diskussionen zwischen den Vorstellenden und den Teilnehmer*innen aus Wissenschaft und Praxis rund um Ergebnisse und weitere Fragestellungen, die sich aus unseren Promotionsprojekten ergeben. Somit bleibt mir nach der Abschlusskonferenz als einzig verbleibende RePliR-Doktorandin nur, mich den am Ende der Konferenz geäußerten warmen Lob- und Dankesworten der RePliR-Sprecher Prof. Ulrich Wilhelms und Prof. Volkhard Krech sowie unserer Koordinatorin Dr. Maren Freudenberg anzuschließen und mich herzlich für die Kollegzeit zu bedanken und mich nun weiterhin auf das Abschließen meiner Promotion zu konzentrieren. Text: Martina Loth Bildrechte: akademie-rs Die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Hohenheim nimmt seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle im christlich-islamischen Dialog ein. Diesen fördert sie auch durch eine jährlich stattfindende christlich-islamische Studienwoche, an der Studierende und Promovierende der Theologien, aber auch der Religions-, Geschichts-, Politik-, Sozial- und Kulturwissenschaften teilnehmen können.
Ein fester Bestandteil dieser Studienwoche, deren Teilnehmer*innen aus verschiedenen europäischen Ländern kommen, ist ein Essay-Wettbewerb. Jede*r Teilnehmer*in ist angehalten, einen Essay zu einem eigenständig gewählten Thema zu verfassen, die dann von einer Jury bewertet und durch die Goerges-Anawati-Stiftung prämiert werden. Im Geist des Namensgebers Georges Anawati, einem ägyptischen Dominikaner und Wegbereiter der Erklärung „Nostra Aetate“, hat sich die Stiftung zum Ziel gesetzt, den interreligiösen und interkulturellen Dialog, die gegenseitige Achtung und Verständigung von Christ*innen und Muslim*innen zu fördern. Bei dem Essay-Wettbewerb in diesem Jahr konnte der ehemalige RePliR-Doktorand David Rüschenschmidt, nun assoziiertes Mitglied des Kollegs, mit seinem Beitrag „Integration – Dialog – Integrationsdialog? Zeithistorisch akzentuierte Perspektiven auf sozialintegrative Potentiale des christlich-islamischen Dialogs“ den zweiten Platz belegen. Die Preisverleihung der prämierten Essays war eingebettet in das diesjährige „Theologische Forum Christentum – Islam“ der Akademie und fand bereits am 7. März 2020 statt. (Da die Meldung zur Preisverleihung und die Veröffentlichung der Essays auf der Website der Georges-Anawati-Stiftung erst kürzlich erfolgte, verzögerte sich auch die Meldung auf der RePliR-Webseite.) Der Laudator, Pfarrer Holger Nollmann, lobte den Assay als „wertschätzende Erdung der integrationspolitischen Möglichkeiten des christlich-islamischen Dialogs.“ Alle ausgezeichneten Beiträge der letzten Jahre werden auf der Seite der Georges-Anawati-Stiftung veröffentlicht. Text: David Rüschenschmidt Im Rückblick auf die vergangenen RePliR-Semester sticht das Sommersemester 2020 als ein außergewöhnliches hervor.
Eigentlich war geplant gewesen, am 26. und 27. März 2020 mit einer großen Feier gebührend den offiziellen Abschluss unseres Forschungskollegs RePliR (Religiöse Pluralität und ihre Regulierung in der Region) zu begehen. Dazu eingeladen hatten wir unsere Principle Investigators, unsere Praxispartner*innen, weitere Begleiter*innen auf dem Weg unserer Promotionsprojekte und allgemein an unserem Forschungsfeld interessierte Personen. Wie so viele akademische Veranstaltungen in diesem Jahr musste die Abschlusskonferenz aufgrund von Covid-19 zunächst abgesagt werden. Schnell wurde klar, dass auch alle weiteren Zusammenkünfte in persona bis auf Weiteres ausgesetzt oder in die virtuelle Welt verlegt werden mussten. Hatte ich bis dato kaum auf Videokonferenzen zurückgegriffen, sind sie mittlerweile fester Bestandteil meines wissenschaftlichen Austauschs geworden. Auch wenn physische Begegnungen in ihren komplexen Dimensionen nicht virtuell ersetzbar sind, war ich sehr erstaunt, wie gut die Umstellung funktioniert hat. Ergo: Die Arbeit an unseren Projekten konnte weitergehen (sofern natürlich alle gesund sind, Kinder betreut sind, etc.)! Eine beruhigende Erkenntnis, die viele Berufsgruppen nicht teilen können. Für das letzte RePliR-Kolloquium musste demnach auch eine alternative Form gefunden werden. In Absprache mit unseren Betreuenden entschieden wir Promovierenden uns dafür, jeweils einen Text in der Runde zirkulieren zu lassen und innerhalb von einer Woche schriftliches Feedback der Kollegiat*innen darauf zu erhalten. Am Ende dieses asynchronen Prozesses stand dann eine Videokonferenz mit der oder dem Betreuenden oder ein klassisches Telefonat. Durch die häppchenweisen Rückmeldungen war es möglich, in aller Ruhe bilateral Stellung zu nehmen und die Kritik ggf. nach und nach in dem Text zu berücksichtigen. Ein dynamischer Austausch in der Gruppe, durch den die Kreativität in besonderer Weise angeregt wird und wie ich ihn in vorherigen Kolloquiumssitzungen in Münster oder Bochum erlebt und geschätzt habe, konnte aber leider nicht erfolgen. Da die erste Förderphase RePliRs langsam ausläuft und die Verträge der anderen Kollegiat*innen geendet sind, bin ich die einzig verbleibende Doktorandin RePliRs. Ich freue mich, dass die ehemaligen Mitstreiter*innen uns als assoziierte Mitglieder erhalten bleiben und wir uns weiterhin konstruktiv austauschen. Unterstützt durch meine Betreuenden und die Koordination konzentriere ich mich auf meine Dissertation sowie die Abschlusskonferenz, die nachgeholt werden soll. Ich hoffe sehr, dass der Durchführung unserer Abschlusskonferenz am 15.10.2020 in kleinerem Rahmen am CERES in Bochum nichts im Wege stehen wird. Andernfalls bin ich mir aber sicher, dass wir mittlerweile sehr gut für ein digitales Format gerüstet wären. Außerdem hoffe ich zusammen mit den anderen (ehemaligen) Kollegiat*innen RePliRs, dass das Kolleg ab Januar 2021 für eine zweite Förderphase verlängert wird. In Vorfreude auf den Herbst wünsche ich nun aber zunächst einmal allen eine schöne Sommerpause! Text: Martina Loth In unregelmäßigen Abständen laden wir Doktorand*innen des Forschungskollegs externe Wissenschaftler*innen ein, um mit ihnen die Ergebnisse ihrer und unserer Arbeit zu diskutieren. Weil die quantitative Perspektive in den bisherigen Vorträgen eher unterrepräsentiert war, sich aber methodisch gewisse Ähnlichkeiten zur eigenen Arbeit feststellen lassen, haben wir am 4. Mai 2020 Dr. Pascal Siegers eingeladen, um über seine Arbeit zum Einfluss von Religiosität auf Xenophobie in Deutschland zwischen 1980 und 2016 zu berichten. Pascal Siegers ist bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften am Standort Köln als Leiter des Teams National Surveys tätig und betrachtet in seiner Forschung unter anderem den religiösen Wandel in Deutschland und Europa. Da natürlich auch die RePliR-Veranstaltungen von den Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie betroffen sind, konnte die Veranstaltung nicht wie ursprünglich geplant im CERES-Palais stattfinden, sondern wurde erstmals in den „virtuellen Raum“ verlegt, sodass Vortrag und Diskussion in einem etwas kleineren Rahmen in einer Videokonferenz stattgefunden haben.
In seinem Vortrag zeigte Pascal Siegers anhand von Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), wie sich der Einfluss von Aspekten christlicher Religiosität auf xenophobe Einstellungen und Kontakten zu Ausländer*innen von 1980 bis 2016 verändert hat. Waren in den 80er Jahren Kirchgänger*innen in Westdeutschland tendenziell skeptischer gegenüber Einwander*innen eingestellt als Kirchenferne, hat sich der Zusammenhang seitdem umgedreht. Heute ist der Kirchgang mit weniger fremdenfeindlichen Einstellungen verbunden. Auch der negative Effekt des Kirchgangs auf Kontakte zu Ausländer*innen ist mit der Zeit verschwunden. In den neuen Bundesländern zeigt sich ein ähnliches Bild, nur, dass Kirchgänger*innen dort zu Beginn der 1990er Jahre mehr Kontakte zu Ausländer*innen hatten als die Kirchenfernen. In der anschließenden Diskussion wurden die Möglichkeiten und Grenzen der Operationalisierung von Religiosität durch in der Umfrageforschung gängige Variablen und die Rolle von kirchlichen Autoritäten bezüglich ihres Einflusses auf die Einstellungen der Mitglieder diskutiert. In Vortrag und Diskussion zeigten sich die Vorteile des interdisziplinär angelegten Kollegs. Nicht zuletzt bot die Veranstaltung auch für den Referenten die Möglichkeit, Feedback aus anderen als den üblichen disziplinären theoretischen und methodischen Kontexten zu erhalten. Von der gelungenen Veranstaltung konnten somit sowohl der Referent als auch die Teilnehmenden etwas für ihre eigene Arbeit mitnehmen. Trotz der für uns ungewöhnlichen Bedingungen durch das virtuelle Setting kam eine angeregte Diskussion zustande, sodass dieses Format – sollten die derzeitigen Einschränkungen noch länger andauern – sicherlich eine Option für zukünftige Veranstaltungen ist. Text: André Kastilan Am 11. und 12. November bot sich dem Forschungskolleg bei einem Abendvortrag und einem Workshop in Münster die Gelegenheit, sich mit dem japanischen Shin-Buddhismus auseinanderzusetzen. Dazu konnte das Kolleg die Expertise von Marc Nottelmann-Feil einholen, der shin-buddhistischer Priester am Ekō-Haus der Japanischen Kultur e.V. im Düsseldorfer Stadtteil Niederkassel ist. Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Doktoranden des Kollegs Mathias Schneider.
In seinem Abendvortrag am 11. November zum Thema „Häresie des Mittelalters? Christlicher Buddhismus? Die hybriden Welten des japanischen Shin-Buddhismus“ eröffnete der Referent ein Fenster nach Japan, dem Heimatland der „Wahren Schule des Reinen Landes“, auf Japanisch Jōdo-Shinshū, die dort eine der größten und einflussreichsten buddhistischen Traditionen ist. Angefangen bei der westlichen Buddhismus-Rezeption, etwa durch Pioniere wie Eugène Burnouf, zeichnete Marc Nottelmann-Feil einen Überblick über die verschiedensten Facetten des Buddha-Bildes, das sich vom orientalistischen Zerrbild des Buddha als empirisch-rationalistischer Ethiker und Aufklärer über den übergöttlichen Buddha der Pāli-Suttas bis hin zum Bodhisattva-Ideal des Mahāyāna und schließlich zum Vertrauen auf Buddha Amida im Shin-Buddhismus erstreckte. Beim Workshop am darauffolgenden Tag konnten die Teilnehmenden mit dem Referenten theologische Aspekte des Shin-Buddhismus, aber auch die Voraussetzungen des shin-buddhistisch-christlichen Dialogs näher beleuchten. Anhand des Shoshinge, das von Shinran, dem Begründer der Jōdo-Shinshū, verfasst wurde und einer der wichtigsten liturgischen Hymnen des Shin-Buddhismus ist, wurden Grundfragen shin-buddhistischen Denkens, aber auch die Spannungen der jeweiligen Auslegungen zwischen japanischer und westlicher Buddhologie reflektiert. Bei allen theoretischen Diskussionen konnte Marc Nottelmann-Feil mit seiner Erfahrung als buddhistischer Geistlicher zugleich auch die praktischen Dimensionen gelebter Spiritualität nahebringen, beispielsweise bei der Textrezitation und Liturgie. Der Shin-Buddhismus ist ein kleiner, aber wichtiger Teil des Gesamtgefüges religiöser Pluralität in Nordrhein-Westfalen. Das zeigt sich auch daran, dass es in der Landeshauptstadt Düsseldorf eine große japanische Community gibt, die mit dem Ekō-Haus eine spirituelle, kulturelle und soziale Anlaufstelle hat. Als solche erhält das Ekō-Haus auch Zulauf von westlichen Buddhisten. Der vom Referenten vermittelte Einblick in den Shin-Buddhismus half dabei, ein schärferes Bild vom in NRW ansässigen Buddhismus zu erhalten und bot so gleichzeitig auch die Gelegenheit, das Gesamtphänomen religiöser Pluralität in der Region besser zu erfassen. Text: Mathias Schneider Um die Problemlagen und möglichen Konfliktfelder, die sich in multikulturellen und multireligiösen Gesellschaften ergeben, auch aus einer praktischen Perspektive kennenzulernen, haben sich die RePliR-Doktorand*innen und weitere Teilnehmende mit dem Thema der Mediation – insbesondere der interkulturellen Mediation – im Rahmen eines Workshops auseinandergesetzt, der von der RePliR-Doktorandin Dilek A. Tepeli organisiert wurde. Von Mediatorin und Trainerin Sylke Hilbig wurden erste Einblicke in den Arbeitsbereich der Mediation vermittelt, welcher sich insbesondere mit den Entstehungsbedingungen von Konflikten, deren zwischenmenschlicher Dynamik und den persönlichen Einstellungen und Werthaltungen der Konfliktparteien befasst.
In einem ersten Schritt wurde aus diesem Grund in Gruppenarbeiten darüber diskutiert, was eigentlich ein Konflikt ist, welche Ausformungen und Spielarten dieser annehmen kann und was die Ursachen von Konflikten sein können. In einem zweiten Schritt lernten die Doktorand*innen die Rolle des*der Mediator*in in Konflikten näher kennen: es geht darum, die Konfliktparteien in ihrer Spurensuche nach den unbewussten, dem Konflikt psychodynamisch zugrundeliegenden Ursachen zu helfen, um zu verstehen, was genau den Konflikt bedingt und wie er gelöst werden kann. In einem dritten Schritt wurde den Teilnehmenden die fünf Phasen der Mediation vermittelt, im Rahmen derer eine langfristige Lösung des Konflikts durch die Konfliktparteien selbst angestrebt wird. Hierbei wurde betont, wie wichtig es im Mediationsprozess ist, von der Sachebene in tiefere Schichten des Konflikts (unerfüllte Bedürfnisse, Erfahrungen, Erwartungen, Werte etc.) durchzudringen. Ziel dieses Prozesses der Mediation ist eine „Win-Win-Situation“, die keinen Kompromiss meint, sondern einen Konsens zwischen den Parteien anstrebt. In der letzten Phase des Workshops wurde anhand fiktiver Beispiele die Durchführung einer Mediation erprobt, indem die Teilnehmenden übten, einen realistischen interkulturellen Konflikt zu bewältigen. Insgesamt wurde der Workshop als hilfreich für die Erweiterung der eigenen wissenschaftlichen Sichtweise auf Konflikte angesehen und bildete dadurch die transdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis ab. Interkulturelle Mediation ist ein relevantes Arbeitsgebiet innerhalb des Feldes religiöser Pluralität. Indem sie zu gegenseitigem Verständnis unterschiedlicher Lebenswelten beiträgt, kann sie die friedliche Koexistenz verschiedener religiöser und säkularer Gruppen fördern. Text: Dilek A. Tepeli Am 14. Oktober 2019 fand von 10 bis 17 Uhr im Glaspavillon der Universität Duisburg-Essen ein Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Fachpraxis und Migrantenselbstorganisationen (MSO) zur Bedeutung von deren Rollen und Bedarfen als zivilgesellschaftliche Akteure statt. Die Veranstaltung wurde vom Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) in Kooperation mit der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) durchgeführt. Die RePliR-Doktorandin Anna Wiebke Klie war für die Konzeption der Veranstaltung verantwortlich und unterstützte bei ihrer Organisation.
Dem Programm entsprechend waren auch die einzelnen Beiträge thematisch sehr vielfältig. Durch die wissenschaftlichen Vorträge wurde in der Summe unterstrichen, dass die Pflege der Herkunftskultur sowie aufnahmelandbezogene, integrative Ausrichtungen in der Mehrzahl der MSO miteinander einhergehen und keine Ausschließungskriterien darstellen. Gleichwohl kritisierte der Journalist Eren Güvercin die Einflussnahme einer türkischen nationalistischen „Diaspora“-Politik, die bisherige Öffnungskurse in der muslimischen Verbändelandschaft unterminiere und innerhalb der Verbände für Interessenkonflikte und letztlich Abwendungen von jungen, sozial engagierten Menschen führe. Konsens herrschte darüber, dass das in migrantischen Communities so wichtige informelle „stille“ Engagement, das viel „im Verborgenen“ stattfinde und daher empirisch schwer sichtbar zu machen sei, eine enorme Kraft darstelle. Inwieweit diese Ressource in aufnahmegesellschaftliche Strukturen, wie etwa der Gesundheitsversorgung, der Altenpflege oder der Betreuung demenziell Erkrankter, eingebunden werden könnte, blieb eine weitgehend unbeantwortete Frage. Als zentrale Herausforderungen wurden große Ängste, Schamgefühle, disparate kulturspezifische Umgangsformen mit Gesundheitsfragen sowie mangelhafte interkulturelle Öffnungsprozesse angeführt. Hier zeigt sich der weiterhin große Bedarf von Aufklärung sowie des Abbaus von Hemmschwellen. Anhand der Wortbeiträge der aus der Politik eingeladenen Referent*innen wurde deutlich, dass hinsichtlich der Handhabung der finanziellen Förderung von MSO auf Landes- und Bundesebene unterschiedliche Logiken bestehen. Während in NRW jeder Verein mit MSO-Eigenschaften und integrativen Tätigkeiten – und damit auch MSO, die sich als Religionsgemeinschaften verstehen – gefördert werden können, verhält es sich auf Bundesebene anders. Hier wurden im Vergleich zwischen den Richtlinien von Bundesinnenministerium (BMI) bzw. dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Bundesfamilienministerium unterschiedliche religionspolitische Haltungen deutlich. So sieht sich das BMI aufgrund der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche lediglich dazu befugt, säkulare MSO zu fördern. Diesbezüglich zeigt sich das Bundesfamilienministerium hingegen offener und hat in den vergangenen Jahren u. a. auch DİTİB gefördert. Viele Anwesende äußerten hinsichtlich der Nicht-Förderung religiöser MSO ihr Unverständnis, schließlich hätten viele religiöse MSO eine starke zivilgesellschaftliche Schlagseite, die Integrationsprozesse vorantreibe. Dieser Aspekt wurde auch auf der die Konferenz abschließenden Podiumsdiskussion nochmals aufgegriffen: Hier wurde auf die Existenz einer Schieflage verwiesen, da die beiden etablierten christlichen Kirchen bevorzugt würden. Die verfassungsmäßig vorgeschriebene Äquidistanz werde somit nicht eingelöst und eine Gleichstellung sei gerechtfertigt und anzustreben. Insgesamt wurde im Rahmen der Veranstaltung deutlich, dass trotz eines anhaltenden Paradigmenwechsels und einer wohlwollenden Anerkennung der MSO seitens nicht-migrantischer Organisationen zukünftig noch mehr passieren müsse. Nach wie vor bestünden gegenseitige Vorbehalte und Verständigungsprobleme. Daher müsse verstärkt daran gearbeitet werden, sich näherzukommen und aufeinander zuzugehen. Die Mitwirkenden waren sich darüber einig, dass das Streben nach mehr Anerkennung und gegenseitigem Respekt eine Aufgabe aller beteiligten Akteure mit und ohne Zuwanderungshintergrund darstellt; zugleich wurde aber auch unterstrichen, dass es sich dabei um einen gesamtgesellschaftlich weiterhin aktiv voranzutreibenden Prozess handelt. Text: Anna Wiebke Klie Am Donnerstag, den 11.7.2019 kamen 20 PraktikerInnen aus der Jugendarbeit in den Räumlichkeiten des IFAK e.V., dem Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe sowie Migrationsarbeit, zusammen, um sich mit Identität und Adoleszenz auseinanderzusetzen.
Um eine besondere Form des Transfers zwischen Wissenschaft und Praxis ging es bei der dritten Klausurtagung des Forschungskollegs RePliR am 4. und 5. Juli im Haus Mariengrund in Münster. Die Doktoranden, PIs und Praxispartner begaben sich dort (unterstützt von einer natürlich-westfälisch ruhigen Atmosphäre) in Klausur, um an ihrem gemeinsamen Projekt, einem Praxishandbuch zur Regulierung religiöser Pluralität, zu arbeiten.
Der christlich-islamische Dialog von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Netzwerken stellt seit einigen Jahrzehnten einen besonderen Begegnungsraum dar und hat vor allem im Nachgang des 11. Septembers 2001 auch von politischer Seite ein großes Interesse erfahren.
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November 2020
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